Den Krebs mit seinen eigenen Waffen geschlagen: Weil Tumorzellen viel Vitamin B12 brauchen, haben US-Forscher jetzt ein Zellgift an das Vitamin gebunden und es so unerkannt in die Zellen geschleust. Drei Hunden hat die neue Methode geholfen.
Salt Lake City - Neuer Ansatz gegen Tumore: Wie ein Trojanisches Pferd schleusten US-amerikanische Forscher um Joseph Bauer vom Taussig Cancer Institute in Cleveland eine giftige Substanz in Krebszellen von drei erkrankten Hunden ein. Nitrosylcobalamin (NO-Cbl) heißt der Wirkstoff, den die Wissenschaftler schon länger in Krebszell-Modellen beobachtet hatten.
Das Nitrosylcobalamin hatten sie als Vitamin B12 getarnt und offenbar unerkannt in die Tumorzellen der Tiere eingeschleust. Auf dem Jahrestreffen der American Chemical Society berichteten sie, dass die Tumoren der Hunde bei täglicher Verabreichung von NO-Cbl innerhalb weniger Monate erheblich schrumpften.
Tumorzellen benötigen aufgrund ihrer schnellen Vermehrung sehr viel Vitamin B12, das zur Stoffklasse der sogenannten Cobalamine zählt. Deshalb entwickeln sie besonders viele Andockstellen für diese Moleküle. Wird nun ein Wirkstoff an ein Vitamin B12-Molekül gekoppelt, wird er für die Krebszellen geradezu unsichtbar und gelangt ungehindert ins Innere der Zellen. Bereits seit 1950 versuchen Forscher, diese Schwäche der Krebszellen auszunutzen. Bauer und seinem Team gelang dies nun, indem sie Stickstoffmonoxid (NO) über Vitamin B12 in die Zellen einschleusten.
Der Versuch mit den Hunden kam zustande, weil sich die Besitzer der Tiere an das Institut gewendet hatten. Bis dato hatten den Hunden weder Chemotherapie noch Bestrahlung geholfen. Das erste Versuchstier, der Bichon Frisé Oscar, litt an einem Tumor der Analbeuteldrüsen, konnte nicht mehr laufen und hätte vermutlich nur noch wenige Monate zu leben gehabt. Nachdem er zwei Wochen lang mit NO-Cbl behandelt worden war, lief er bereits wieder herum. Nach 15 Monaten war der Haupttumor um 43 Prozent zurückgegangen.
Auch zwei weitere Hunde sprachen gut auf die Behandlung an: Bei einem Riesenschnauzer mit Schilddrüsenkrebs ging der Tumor nach 10 Monaten um 77 Prozent zurück, bei einem Golden Retriever mit peripherem Nervenscheidentumor war nach neun Monaten eine Tumorrückbildung um 39 Prozent zu beobachten. Studienleiter Bauer betont, dass Versuche mit Hunden besonders viele Rückschlüsse auf die Wirksamkeit eines Wirkstoffes beim Menschen zulassen, da Hunde den gleichen äußeren Bedingungen ausgesetzt sind.
Nebenwirkungen haben die Wissenschaftler nach eigener Auskunft nicht beobachtet. Nach ihren positiven Ergebnissen bei den Tieren hoffen sie, das Mittel möglichst bald auch beim Menschen testen zu dürfen.